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Einkaufstourismus

  • Autorenbild: EchtFair
    EchtFair
  • 25. Nov. 2024
  • 3 Min. Lesezeit
 

«Die Politik soll es nicht den Kunden schwerer, sondern den Schweizer Händlern leichter machen»




Es ist weniger als eine Stunde Autofahrt, und sie führt durch die hügelige, weite Landschaft der Ostschweiz. Doch wenn Nicole Weber den Bodensee am Horizont auftauchen sieht, dann denkt sie nicht an Spaziergänge am Ufer: Ihr monatlicher Grosseinkauf in Konstanz steht an. Rund 8,5 Milliarden Franken geben die Schweizer jährlich für Einkäufe im Ausland aus, schätzt eine Studie der Universität St. Gallen. Nicole Weber, beruflich in einer Apotheke im Zürcher Umland tätig und zweifache Mutter, gehört zu ihnen.


«Besonders stolz bin ich darauf nicht und erzähle das auch nicht ständig im Kollegenkreis herum», gibt die 47-jährige zu. «Aber die Preise gerade für Lebensmittel sind bei uns in den vergangenen Jahren doch deutlich gestiegen. Damit muss ich umgehen.» Zwar kennt auch sie die offiziell niedrige Inflationsrate, vergleicht aber ihre eigenen Ausgaben: «Da addieren sich die Kleinigkeiten. Ein Stück Butter kostet bei uns 2,20 Franken, aber das sind dann nur 100 Gramm. Für den gleichen Betrag bekomme ich in Deutschland 250 Gramm.»



Einkauf lohnt sich trotz der Fahrtkosten


So hat sie inzwischen ein festes Einkaufsprogramm, meist am ersten Samstag des Monats: «Zuerst zu ein oder zwei Discountern, es gibt ja überall andere Angebote, danach in den Drogeriemarkt für Waschmittel, Reinigungs- und Kosmetikprodukte.» Reicht die Zeit noch, stöbert sie in den benachbarten Mode- und Schuhgeschäften: «Die Kinder brauchen ja auch ständig etwas.» Selbst nach Abzug der Benzinkosten, rund 17 Franken für die Hin- und Rückfahrt, lohnt sich die Einkaufsreise für sie damit zumindest finanziell jedes Mal.


Natürlich kennt auch sie die Sorgen des Schweizer Detailhandels. «Ich sehe zum Beispiel, dass in unseren Supermärkten seit längerer Zeit die Preise für Fleisch, Obst und Gemüse in 100-Gramm-Einheiten angeschrieben werden, obwohl niemand so wenig kauft. Aber so sieht es zumindest niedriger aus.» Allerdings kann sie, das ist ihre Sichtweise, darauf nur begrenzt Rücksicht nehmen: «Am Ende muss ich mit meinem Budget auskommen. Mein Lohn ist in den vergangenen Jahren kaum gestiegen.» So wiegt das schlechte Gewissen nicht so schwer wie die Einkaufstaschen, die sie für ihre Familie in den Kofferraum packt.



Bei uns im Schnitt anderthalb mal so teuer

Anderthalb mal so teuer wie in Baden-Württemberg ist der durchschnittliche Warenkorb, also eine repräsentative Auswahl an Waren des täglichen Bedarf, in der Schweiz. Das liegt weniger an den Händlern als an den hohen Produktionskosten (inklusive Mieten) und Löhnen. Nicht wenige Produzenten und Lieferanten fordern von Schweizer Abnehmern schon von sich aus deutlich höhere Preise als anderswo in Europa. Während nationale und ausländische Ketten aggressiver verhandeln und zusätzliche Kostenvorteile durch ihre Grösse erreichen können, ist das kleineren und mittleren Händlern kaum möglich.


Höhere Hindernisse für den Einkauf bei der ausländischen Konkurrenz (z. B. Einfuhrgrenzen für bestimmte Warengruppen wie Fleisch, Wurst und Alkohol) lösen das grundsätzliche Problem nicht. Daher wünschen sie die kleineren und mittleren Schweizer Händler eine Verbesserung ihrer unternehmerischen Möglichkeiten.

Die anstehende Revision des Kartellgesetzes ist eine Gelegenheit dazu.

Sie könnte kleineren und mittleren Händlern endlich durch ein liberales, flexibleres Wettbewerbsrecht unterstützen – etwa in Bezug auf Kooperationen und Zusammenschlüsse für mehr Effizienz und damit niedrigere Kosten. Bisher wird das Kartellgesetz, das eigentlich auf grosse, marktbeherrschende Unternehmen fokussiert sein müsste, auch rigoros auf kleinere Mitbewerber angewendet.



Ab 2025 geringere Freigrenze beim Zoll


Nicole Weber sieht mit Sorge dem 1. Januar 2025 entgegen: Ab diesem Termin müssen eingeführte Waren ab einem Einkaufswert von 150 Franken verzollt werden (bisher: ab 300 Franken). «Ich weiss noch nicht, wie ich damit umgehe», sagt sie. «Glücklich bin ich über diese Entscheidung des Bundesrates nicht. Da hat man wenig an diejenigen gedacht, bei denen einfach das Geld etwas knapper ist. Ich werde noch mehr vergleichen und vielleicht häufiger fahren müssen.» Ihre Hoffnung ist, dass die Politik nicht länger die Lösung darin sieht, Konsumenten zu bestrafen oder die Händler gegen sie auszuspielen.


Vorerst wird sie weiter in Konstanz einkaufen, obwohl der Zeitverlust sie ärgert und sie lieber die Händler in ihrem Quartier unterstützen würde. «Ich weiss selbst, dass das wichtig ist, damit am Ende nicht nur noch grosse Ketten wie Coop, Migros, Lidl und Aldi übrig bleiben. Aber ich kann als einzelne Konsumentin nicht ausgleichen, dass bei uns vieles wesentlich teurer ist, als es eigentlich sein müsste.» Sie hofft, dass sich in naher Zukunft etwas ändert und auch in der Schweiz wieder mehr Flexibilität möglich wird: «Die Politik soll es nicht den Kunden schwerer, sondern den Händlern leichter machen.»

 
 
 

5件のコメント


darian_03
2024年11月18日

Nicole Weber hat recht, wenn sie sagt, dass die Konsumenten nicht dafür verantwortlich gemacht werden können, dass die Preise in der Schweiz so hoch sind. Es braucht eine Reform des Kartellgesetzes, um kleinen Händlern mehr Spielraum zu geben. Nur so kann man langfristig verhindern, dass alle ins Ausland fahren, um günstiger einzukaufen.

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Vogt Elena
2024年11月18日

Nicole Weber bringt es auf den Punkt: Die Politik sollte die Händler stärken, nicht die Konsumenten bestrafen.

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Pepe
2024年11月18日

Kein Wunder, dass so viele in Deutschland einkaufen – die Preisunterschiede sind einfach enorm.

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Pepe
2024年11月18日
返信先

Versteh ich! Ich finde es dann schade, dass man sich wegen Auslandeinkäufen ein schlechtes Gewissen machen muss.

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