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EchtFair

Online-Einkäufe

 

«Die Angebote aus dem Ausland kann ein Händler bei uns bisher fast nicht schlagen»






Wenn für den Einkauf nach der Arbeit mal wieder keine Zeit war, setzt sich Tomas Novotny abends mit dem Handy aufs Sofa. Dann bestellt er sich online, was er braucht – und das häufig aus dem Ausland. Damit ist er nicht allein. 51 Prozent der Schweizer kauften 2023 in ausländischen Onlineshops, ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Zahlungsdienstleisters Nexi. Das entspricht einem Anstieg von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. «Oft geht es mir nicht einmal allein um den Preis, sondern auch um die Auswahl und Bequemlichkeit», sagt Tomas Novotny, ein Projektmanager aus Luzern.


«Ich arbeite im IT-Bereich. Das bedeutet: Immer viel Stress in den Projekten, häufig lange, unregelmässige Arbeitszeiten», sagt der 34-Jährige. «Da fehlt mir oft einfach die Lust, noch in ein Geschäft zu gehen.» So bestellt er sich vieles im Internet: Elektronikwaren und Zubehör, Bücher und Büromaterial fürs Home Office, manchmal auch Kleidung und Sneakers. «Ein Schweizer Online-Shop wäre mir grundsätzlich lieber, schon wegen der schnelleren Lieferung. Aber vieles bekommt man bei uns gar nicht, oder man muss für dasselbe Produkt viel mehr bezahlen. Ein kleiner Aufschlag ist okay, aber nicht zu viel.»



Versand zu Kollegen im Ausland


Tomas Novotny nennt ein Beispiel: «Vor einiger Zeit hatte ich mit Hautproblemen zu kämpfen. Meine Ärztin empfahl mir, täglich eine bestimmte Waschlotion zu benutzen. Bei uns kostet die Flasche 29.90 Franken. In Deutschland, wo das Produkt hergestellt wird, umgerechnet nur 18.60 Franken. Das sind fast 40 Prozent weniger!» Zwar lieferte der Online-Shop des Herstellers nicht in die Schweiz: «Offenbar ein Gebietsschutz für die Händler, damit wir gezwungen sind, hier mehr zu bezahlen.» Aber er liess seine Bestellung einfach zu einer Kollegin in Süddeutschland schicken, die sie ihm weiterleitete.


«Jeder hat da seine Tricks. Wir tauschen uns im Kollegenkreis aus, wie man die Sperren bei den verschiedenen Online-Händlern am besten umgeht», sagt Tomas Novotny. «Einige lassen ihre Bestellungen zu Freunden oder Verwandten im benachbarten Ausland liefern, die sie dann weiterschicken oder beim nächsten Treffen übergeben. Andere nutzen Postfächer auf der anderen Seite der Grenze. Aber vieles wird problemlos direkt verschickt, selbst von Amazon, obwohl die offiziell nicht in der Schweiz aktiv sind.» Ein Medikament, auch in Deutschland hergestellt, hätte in der Schweiz sogar das Fünffache gekostet. «Einmal habe ich es bei uns gekauft, nun bestelle ich auch das lieber online.»



Einkauf in Deutschland, China und Frankreich

Gemäss der genannten Umfrage war Deutschland für Schweizer Online-Kunden mit 29 Prozent die beliebteste Online-Destination, gefolgt von China mit 22 Prozent und Frankreich mit 11 Prozent. Zwei Drittel der Befragten gaben an, wegen der niedrigeren Preise im Ausland einzukaufen. Rund ein Drittel nannte das grössere Angebot oder die Nichtverfügbarkeit des Produkts in der Schweiz als Grund. Während die grossen Schweizer Händler heute fast durchweg auch moderne und beliebte Online-Shops betreiben, ist das den kleinen und mittleren Händlern oft nicht möglich. Sie sind bereits mit dem logistischen und administrativen Aufwand für ihr stationäres Geschäft ausgelastet.


Um stärker in eigene Online-Shops und damit ihre Zukunft investieren zu können, bräuchten sie eine Entlastung bei Bürokratie und Kosten. Aktuell besonders wichtig dafür ist die anstehende Teilrevision des Kartellgesetzes. Bei Annahme würde es sinnvolle Kooperationen und unternehmerische Innovation insbesondere für KMU nicht länger erschweren. Auch eine angemessenere Behörden- und Gerichtspraxis ist nötig, die die besonderen Gegebenheiten kleinerer und mittlerer Unternehmen stärker berücksichtigt und sie nicht mit internationalen Konzernen gleichstellt. Dazu gehören u.a. mehr Augenmass und schnellere Entscheidungen bei der Wettbewerbskommission (WEKO) als bisher.



Schweizer Anbieter möglichst bevorzugen


Im Kollegenkreis konnte Tomas Novotny auch die Herausforderungen der Schweizer Online-Händler beobachten: «Eine frühere Arbeitskollegin hatte sich mit einem Online-Shop für Second-Hand-Mode selbständig gemacht. Einige Jahre funktionierte das, aber mit der Konkurrenz aus Asien konnte sie nicht mehr mithalten.

Temu, Shein und Ali Express liefern zu unglaublich niedrigen Preisen und mit grosszügigen Rückgaberegeln längst auch in die Schweiz, ohne Schweizer Abgaben und Regulierungen. Da kann niemand mithalten; sie hat ihr Geschäft inzwischen auch wieder aufgegeben.»


Tomas Novotny hat inzwischen begonnen, nach Möglichkeit wieder Schweizer Händler zu bevorzugen: «Es hat ja niemand etwas davon, wenn wir am Ende alle nur noch bei Amazon & Co. bestellen und es keine heimische Konkurrenz mehr gibt. Man muss manchmal etwas länger recherchieren, findet dann häufig aber auch bei uns gute Angebote und hat die Ware am nächsten Tag.» Er wünscht sich, dass sich die Rahmenbedingungen insbesondere für die kleinen und mittleren Händler in der Schweiz verbessern: «Man kann nicht alles auf die Kunden und Unternehmen schieben. Auch die Politik muss durch weniger Bürokratie und Kosten etwas dafür tun, dass es wieder leichter wird, bei uns erfolgreich sein zu können.»

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